Zwei Kriegsschiffe, die einen Frachter Begleitschutz geben

Die Einschläge kommen wieder näher: Einige Monate hatten die jemenitischen Huthi-Rebellen eine vom Oman vermittelte Waffenruhe eingehalten. Doch nun haben sie ihre Angriffe auf die zivile Schifffahrt fortgesetzt. Hintergrund ist die Zuspitzung der Lage im Gazastreifen und der andauernde Konflikt zwischen Israel und dem Iran – das dortige Mullah-Regime zählt zu den Unterstützern der Huthis.

Drohmail an deutsche Reede
Ende Juli verbreitete die Miliz erneut Angst und Schrecken in der Schifffahrtsbranche. In einer Mail an den Verband Deutscher Reeder und mehrere Mitgliedsreedereien drohten die Huthi mit weiteren gezielten Angriffen auf Handelsschiffe. Neu ist die Ankündigung einer „vierten Phase“ ihrer militärischen Eskalation. Danach sind die Drohungen ausdrücklich Teil einer erweiterten Seekriegsstrategie und beziehen sich auf die zivile Schifffahrt weltweit – unabhängig von Flagge, Standort oder Fahrtgebiet der Schiffe.

Und die skrupellosen Terroristen meinen es ernst: So überfiel und versenkte die Miliz Anfang Juli zwei unter liberianischer Flagge fahrende griechische Bulker. Der „Magic Seas“ näherten sich bewaffnete Angreifer nach Angaben von EU-Militärbeobachtern zunächst mit Kleinbooten. Dann setzten sie ballistische Raketen und Drohnen ein. An Bord sei Feuer ausgebrochen. Daraufhin habe die 22-köpfige Besatzung das Schiff aufgegeben. Glück im Unglück: Die Crew wurde von einem Handelsschiff gerettet. Blutig verlief der Angriff auf die „Eternity C“: Mindestens vier Seeleute wurden getötet und zwei schwer verletzt, weitere würden vermisst, hieß es seitens der EU-Militärmission „Eunavfor Aspides“, die im Roten Meer agiert. Lloyd’s List vermutet, dass sechs philippinische Seeleute von den Huthis als Geiseln genommen wurden.
Die neuerlichen Angriffe auf Handelsschiffe zeigten, dass ein iranischer Verbündeter weiterhin ohne jeden Anlass die zivile Schifffahrt erheblich störe und das Leben unschuldiger Seeleute gefährde, so Bundesaußenminister Johann Wadephul. „Wir verurteilen das auf das Schärfste und erwarten, dass der Iran seinen Einfluss auf die Huthis ausübt, um das zu beenden.“

Portrait vom Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Jan Christian Kaack

Geopolitische Machtspiele
Mit der Eskalation des Nahostkonflikts hat sich die Bedrohungslage in zentralen Seegebieten des Nahen und Mittleren Ostens deutlich verschärft. Besonders alarmierend: die Drohungen Teherans, gezielt gegen zivile Handelsschiffe im Roten Meer und im Persischen Golf vorzugehen. Die Ankündigung, die Straße von Hormus – eine der wichtigsten Versorgungsrouten für den weltweiten Energiehandel – blockieren zu wollen, heizt die Lage zusätzlich an. „Der Schutz unserer Seeleute hat oberste Priorität“, erklärt Gaby Bornheim, Präsidentin des Verbands Deutscher Reeder (VDR). „Unsere Reedereien verfolgen die Entwicklungen mit größter Wachsamkeit, stehen im engen Austausch mit den Sicherheitsbehörden und reagieren verantwortungsvoll auf jede neue Lageeinschätzung. Auf unseren Schiffen arbeiten Menschen, die einen friedlichen, unverzichtbaren Beitrag zur globalen Versorgung leisten. Sie dürfen nicht zur Zielscheibe geopolitischer Machtspiele werden.“
Der Appell ist mehr als berechtigt: Nach Angaben internationaler Beobachter wurden seit Ende 2023 im Roten Meer nahezu 200 Handelsschiffe durch Raketen, Drohnen oder Marschflugkörper der Huthis angegriffen. Mehrere Schiffe wurden versenkt, zahlreiche weitere schwer beschädigt. Seeleute verloren ihr Leben.
Die Handelsroute am Roten Meer ist der kürzeste Seeweg von Asien nach Europa und macht 15 Prozent des weltweiten maritimen Handels aus. Um Seeleute, Schiffe und Ladung zu schützen und die Versorgung mit wichtigen Gütern aufrechtzuerhalten, nutzen die Schifffahrtsunternehmen den zehn bis 14 Tage längeren Umweg um das Kap der Guten Hoffnung – mit entsprechenden Auswirkungen auf Lieferketten und Frachtraten.
Durch die Angriffe der Huthi-Miliz auf den internationalen Schiffsverkehr ist laut dem „Integrated Situational Awareness and Analysis-Report“ der EU-Kommission von Oktober 2024 in der Meerenge Bab al-Mandab ein Rückgang des Schiffsverkehrs um 73 und ein Rückgang des Handelsvolumens um 79 Prozent zu verzeichnen.

Das Foto zeigt die Fregatte „Baden-Württemberg“. Sie durchquerte im September 2024 die Straße von Taiwan und setzte damit ein Zeichen für die Freiheit der Seewege.
Statement. Die Fregatte „Baden-Württemberg“ durchquerte im September 2024 die Straße von Taiwan und setzte damit ein Zeichen für die Freiheit der Seewege.
Foto einer Helikopter-Besatzung bei der Operation „Aspides“. Sie kümmern sich amerikanische und europäische Marineeinheiten um den Schutz der Seewege im Roten Meer.
Überwachung. Bei der Operation „Aspides“ kümmern sich amerikanische und europäische Marineeinheiten um den Schutz der Seewege im Roten Meer.

Zahlreiche Krisenherde
Der Iran und seine Verbündeten sind die aktuell virulenteste, aber längst nicht die einzige Bedrohung für die Schifffahrt:
Das Schwarze Meer ist für die Schifffahrt seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine Anfang 2022 zur Gefahrenzone geworden. Der Hafen von Odessa liegt häufig unter Beschuss, Teile der Schifffahrtswege sind vermint.
In der Ostsee sind Schiffe der russischen Schattenflotte (s. S. 34) unterwegs – häufig betagte Tanker, die als Sicherheitsrisiko gelten. „Bereits heute führen Gegner auf See hybride Angriffe unterhalb der Schwelle kriegerischer Handlungen zumeist gegen maritime kritische Infrastruktur Deutschlands und seiner Alliierten durch“, sagte Marine-Inspekteur Jan Christian Kaack kürzlich im Interview mit der „Deutschen Seeschifffahrt“. Dazu gehört etwa die Störung der Schiffsnavigation durch GPS-Jamming. Der Marine-Inspekteur beobachtet außerdem eine „gesteigerte Aggressivität“ russischer Einheiten.
Die „Straße von Taiwan“ ist eine wichtige Schifffahrtsroute. Die 180 Kilometer breite Meerenge liegt im Spannungsfeld der Auseinandersetzung zwischen China und Taiwan. Pekings „wachsendes militärisches Selbstbewusstsein im Südchinesischen Meer bedroht nicht nur die Sicherheit Asiens, sondern untergräbt auch die regelbasierte Weltordnung“, sagte Außenminister Wadephul kürzlich bei einem Besuch in Indonesien. Eine Eskalation würde „ernsthafte Konsequenzen für die globale Sicherheit und den weltweiten Wohlstand“ mit sich bringen. Auch deutsche und europäische Interessen wären direkt betroffen.
Die Zahl der brutalen Überfälle durch bewaffnete Piratenbanden hat zuletzt wieder zugenommen. 45 Angriffe und versuchte Angriffe zählte das Internationale Schifffahrtsbüro (IMB) im ersten Quartal 2025. „Die Bedrohung für die Sicherheit der Besatzungen bleibt hoch“, so die Experten. Neben der Ostküste Afrikas (u.a. vor Somalia) ist die Straße von Malakka vor Singapur zum Hotspot avanciert. Die kürzeste Verbindung zwischen dem Indischen Ozean und dem Südchinesischen Meer ist eine der weltweit wichtigsten Handelsrouten. Zuletzt hat sich dort die Anzahl der Überfälle vervierfacht.

Militärisches Engagement
Vielfach setzen sich Marineeinheiten für den Schutz der Handelsschiffe ein: So begleiteten im Rahmen der Operation „Atalanta“ zwischen 2009 und 2022 auch Schiffe der Deutschen Marine Transporte des Welternährungsprogramms der UNO – und trugen dazu bei, Handelsschiffe am Horn vor Afrika vor Piratenangriffen zu schützen.
Aktuell läuft die Mission „Aspides“ zum Schutz vor Huthi-Angriffen, an der sich die Bundeswehr seit Februar 2024 beteiligt – anfangs beispielsweise mit der Fregatte „Hessen“. Ziel der defensiven Operation ist die Wahrung der Freiheit der Schifffahrt. Das Einsatzgebiet umfasst die Meerenge von Bab al-Mandab und die Straße von Hormus sowie die internationalen Gewässer im Roten Meer, im Golf von Aden, im Arabischen Meer, im Golf von Oman und im Persischen Golf sowie den Luftraum da­rüber. Bis zu 700 deutsche Soldaten können laut Bundestagsbeschluss eingesetzt werden. Außenminister Wadephul zeigte sich kürzlich offen für eine Verstärkung des Mandats.
Den Schutz der deutschen Handelsschifffahrt wie auch den Schutz von freien Waren- und Handelsströmen hat die Bundesregierung als sicherheitspolitische Aufgabe in der Nationalen Sicherheitsstrategie bekräftigt. Auch der Bericht der Bundesregierung zu einer Evaluierung der laufenden, mandatierten Auslandseinsätze der Bundeswehr hat bestätigt, dass Beiträge der Bundeswehr zur Sicherung geostrategisch wichtiger Räume und kritischer Handelsrouten von besonderer Bedeutung sind.

Klare Forderung

„Die Freiheit der Seewege ist ein fundamentales strategisches Interesse Deutschlands und aller anderen Handelsnationen“, sagt denn auch Marine-Inspekteur Kaack. Schließlich werden rund 90 Prozent des Welthandels über den Seeweg abgewickelt.
„Der Schutz der Handelsschifffahrt ist eine humanitäre Pflicht – keine Option“, betont VDR-Hauptgeschäftsführer Martin Kröger. „Die Staatengemeinschaft muss unmissverständlich klarstellen: Die zivile Handelsschifffahrt ist kein legitimes Ziel militärischer Gewalt.“

Die Infografik zeigt die Brennpunkte der wichtigsten Handelsrouten.
Die Infografik zeigt die Brennpunkte der wichtigsten Handelsrouten.
Das Foto zeigt die Fregatte „Hessen“, die im Rahmen der Operation „Aspides“ 27 Handelsschiffe eskortiert.
Geleitschutz. Die Fregatte „Hessen“ hat im Rahmen der Operation „Aspides“ 27 Handelsschiffe eskortiert.

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