
Das nennt man wohl antizyklisch: „Als wir im Familienkreis unsere Idee vorgestellt haben, ein Schiff zu kaufen, haben alle die Augen verdreht“, erzählt Georg von Rantzau. Tatsächlich steckt die Schifffahrt Mitte der 2010er-Jahre in einer schweren Krise, niemand will Schiffe haben – und keine Bank sie finanzieren. Andererseits sind auch die Preise auf einem Tiefpunkt. „Das Schiff, das wir damals ins Auge gefasst hatten, lag ungefähr auf Stahlpreis-Niveau“, sagt Jan Wolff. Im Klartext: Wenn die Sache schiefgeht, kann man den Kahn recyceln – und verliert nicht viel Geld. Obendrein läuft die Charter noch ein Jahr. Das Risiko also: überschaubar. Jedenfalls, wenn man die Kosten für Finanzierung und technisches Management im Griff behält.
Der 2016 günstig erworbene Container-Feeder „OKEE August“ markiert den eigentlichen Start des Unternehmens OKEE Maritime, das Georg von Rantzau und Jan Wolff 2014 zusammen gegründet haben. Dass sie im maritimen Sektor unternehmerisch aktiv werden wollen, ist beiden da schon länger klar. Die zwei sind Hamburger, wohnen an der Elbe, schätzen den globalen Zuschnitt der Branche. „In der Schifffahrt kommuniziert man mit der ganzen Welt, das gibt es sonst kaum irgendwo“, sagt Wolff.


Wir sind daran interessiert, die Dinge zu verstehen – aber wir erwarten nicht, alles am besten zu können.“
Georg von Rantzau, geschäftsführender Gesellschafter
Erst Nachbarn, dann Gründer
Von Rantzau stammt aus einer bekannten Schifffahrtsfamilie, sein Vater Heinrich von Rantzau ist geschäftsführender Gesellschafter der Reederei John T. Essberger. Und auch Wolff hat familiäre Berührungspunkte zum Seetransport, der Vater war als Händler international unterwegs. Ihre Wege haben sich bis dahin bereits gelegentlich gekreuzt: im Stadtteil, in der Schule, beim Studium in London. Dort schließt von Rantzau ein Traineeprogramm beim Schiffsmakler Clarksons an, sammelt Erfahrung bei der Deutschen Bank in New York und geht später zu Leonhardt & Blumberg. Wolff verdient sich bei der Reederei Ernst Russ unter anderem als Geschäftsführer in deren Shanghai-Büro die ersten Sporen.
Als sie schließlich in Hamburg Nachbarn im selben Haus werden, konkretisieren sich die Pläne einer gemeinsamen Selbstständigkeit. „Wir haben im selben Moment den Gedanken gehabt: Jetzt passt’s“, sagt von Rantzau. Was sie verbindet: Sie wollen ihren eigenen Weg gehen, eigene Erfahrungen sammeln.
„Family & friends“ lassen sich am Ende überzeugen und steuern etwas zum Schiffskauf bei. Doch die finanziellen Mittel sind begrenzt: „Wir mussten uns erheblich strecken“, sagt von Rantzau. Und so fangen die beiden ganz klein mit einem Schiff an, verbinden damit aber eine klare Perspektive: „Wenn das funktioniert und wir einen langen Atem haben, kann daraus eine kleine Reederei werden“, sagt Wolff. Der Plan geht auf.


Wir sind krisenerprobt, wir haben schließlich mitten in einer Krise
angefangen.“
Jan Wolff, geschäftsführender Gesellschafter
Vielfalt im Kleinen
„Hands on“ und „Learning by doing“ – die beiden Prinzipien prägen von Beginn an ihr Geschäft. Sie analysieren den Markt, fuchsen sich in die Finanzierung ein, kümmern sich um das kommerzielle Management, sie begleiten Schiffe bei der Dockung auf der Werft, sie bauen ein kleines Team auf und nutzen externe Expertise, wo immer das erforderlich ist. Seit 2020 gibt es OKEE Shipmanagement, das mit eigener DOC-Zertifizierung die technische und nautische Betreuung für eigene und externe Schiffe übernimmt, jedoch wird nach wie vor auch mit Partnern zusammengearbeitet. „Wir haben ein Interesse daran, die Dinge zu verstehen – aber nicht die Erwartung, alles am besten zu können“, sagt von Rantzau.
Das eigene Know-how erweitern: Dazu dienen auch die kleine Bulker-Befrachtungstochter OKEE Dry Chartering und das Engagement bei mehreren Start-ups: „Als junges Unternehmen haben wir schon den Anspruch, beim Thema Digitalisierung vorne mitzuspielen“, sagt Wolff.
Verschiedene Segmente kennenlernen, breit aufgestellt sein, aber auch dicht dran an den Schiffen und zumindest die großen Themen selbst in der Hand haben: Das limitiert die mögliche Flottengröße. „Wir wollen flexibel bleiben und keinen großen Apparat aufbauen“, sagt von Rantzau. Der zunehmende bürokratische Aufwand macht ihnen da manchmal schon zu schaffen – gerade bei komplexen Themen wie EU ETS und Fuel EU. „Wenn wir vor fünf Jahren gewusst hätten, welche Auflagen seitens der IMO auf uns zukommen, hätten wir uns an ein eigenes technisches Schiffsmanagement wohl nicht herangewagt.“
Er sitzt mit seinem Kompagnon gemeinsam in einem Büro, die aktuell 17 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten nebenan im Großraum. Der enge Kontakt und der interdisziplinäre Austausch sind Programm: „Mit dem Back-up der Techniker kann das kommerzielle Management Probleme besser bewerten und ist so für unsere Kunden ein besserer Partner“, sagt Wolff. Oder allgemeiner: Wer über den eigenen Tellerrand schaut, lernt dazu und entwickelt sich weiter. Davon profitiert auch das Unternehmen.
Im Coronajahr gelingen OKEE Maritime trotz der Reise- und Kontaktbeschränkungen mehrere Zukäufe, die Flotte wächst. Zwischendurch trennt sich das Unternehmen aber immer wieder von Tonnage, wenn die Gelegenheit günstig bzw. der Preis attraktiv ist. „Wir verdienen unser Geld mit dem Schiff“, sagt Wolff. Da gehört aktives Asset Play dazu. Aktuell besteht die betreute Flotte aus acht Container-Feedern, einem Bulk-Carrier, einem LPG-Carrier und zwei Produktentankern – Ehrensache, dass einer von denen nach von Rantzaus Urgroßvater „John T.“ heißt. „Unsere Schiffe tragen meist die Namen von Familienangehörigen“, erläutert von Rantzau – und ergänzt schmunzelnd: „Unsere Ehefrauen haben wir allerdings schon verkauft.“
Prinzip Verantwortung
Was kann im schlimmsten Fall passieren? Diese Frage bewegt die beiden Gründer von OKEE Maritime in ihrem unternehmerischen Alltag bis heute. Denn sie spüren die Verantwortung gegenüber ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, aber auch gegenüber ihren Geschäftspartnern. „Man kann in der Schifffahrt tief fallen“, sagt von Rantzau. Solide aufgestellt zu sein, hat deshalb Priorität.
Ein drohender Handelskonflikt bringt sie da nicht aus der Ruhe: „Wir sind krisenerprobt, wir haben schließlich mitten in einer Krise angefangen“, sagt Wolff. OKEE ist mittlerweile bei jedem Schiffsinvestment der größte Anteilseigner. Damit soll ein klares Zeichen gesetzt werden, dass alle im selben Boot sitzen und keine Interessenkonflikte entstehen. Das schafft zusätzliches Vertrauen: „Unsere Partner begleiten uns seit unserem Start und sind immer bei der Stange geblieben“, sagt von Rantzau.
Die Werteorientierung betrifft auch gesellschaftliche Belange: Toleranz und Vielfalt werden bei OKEE großgeschrieben, der Frauenanteil ist höher als bei vergleichbaren Unternehmen. Eine kleine Reederei mit älteren Schiffen tue sich naturgemäß schwerer in Sachen Umweltschutz. „Trotzdem ist unser Ziel, die Schiffe möglichst sauber zu bekommen“, sagt Wolff. Propeller, Schiffsanstrich, Energieerzeugung an Bord: Um Optimierungsmaßnahmen zu finanzieren, holen sie nach Möglichkeit die Charterer mit ins Boot. Möglichst transparent agieren – darin beweise sich die Zukunftsfähigkeit der Branche. Auf vielen Feldern werde die Zusammenarbeit der Akteure immer wichtiger. Dabei spiele auch der Verband Deutscher Reeder eine gewichtige Rolle, weil er das Miteinander organisiert und die Interessen der Branche bündelt. „Dass die Bedeutung der Schifffahrt in der Öffentlichkeit präsenter ist, ist auch das Verdienst des VDR“, sagt Wolff.
Die Zukunft im Blick
Viele Themen, noch mehr Ideen. „Langweilig wird uns nie“, sagt von Rantzau. Er und Wolff teilen die Leidenschaft für die Schifffahrt, sind gern in der Welt unterwegs, fast gleich alt (40) und haben beide drei Kinder. Außerdem sehen sie mit einem „gewissen Grundoptimismus“ in die Zukunft, wie sie übereinstimmend sagen. Sind sie bei so vielen Gemeinsamkeiten eigentlich befreundet? „Wenn Sie seit mehr als einem Jahrzehnt zu mehr als den üblichen Arbeitszeiten im selben Büro arbeiten, entwickelt sich schon so etwas wie eine Freundschaft“, sagt Wolff – und von Rantzau pflichtet bei.
Eine Prüfung wäre es da gewiss, wenn sich Georg von Rantzau einmal verstärkt um das Schifffahrtsunternehmen seiner Familie kümmern müsste – schon jetzt verantwortet er „nebenher“ den landwirtschaftlichen Betrieb der von Rantzaus in Schleswig-Holstein. Andererseits: Dass Jan Wolff und Georg von Rantzau mit neuen Situationen umgehen können, haben sie schon oft unter Beweis gestellt. Hauptsache, flexibel.

OKEE Maritime
- Gegründet 2014, erstes Schiff 2016
- geschäftsführende Gesellschafter: Georg von Rantzau, Jan Wolff
- Der Name „OKEE“ ist abgeleitet vom Lake Okeechobee, dem größten See Floridas. In der Sprache des indigenen Stammes der Seminolen bedeutet Okeechobee „großes Wasser“.
- eigene Flotte derzeit acht Schiffe: vier Container-Feeder (1.049 bis 1.841 TEU), zwei Produktentanker (je 53.688 Dwt), ein LPG-Carrier (6.500 m3) und ein Bulk-Carrier (75.000 Dwt)
- vier externe Container-Feeder im technischen Management
- 20 Mitarbeitende an Land (davon drei in Odessa), rund 200 Seeleute
- www.okee-maritime.com




