
Der verglaste Gang zwischen den beiden Flensburger Altbauten ist symbolträchtig: Er verbindet den Sitz der Förde Reederei mit dem der Seetouristik. Die zwei Unternehmen in den benachbarten Altbauten standen ursprünglich in erbitterter Konkurrenz um den Markt der lukrativen Butterfahrten – bis deren von der EU erzwungenes Ende gebot, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Das machen die zwei Flensburger Familienfirmen seit 1991 gemeinsam – und haben 1998 sämtliche Aktivitäten unter dem Dach der „Förde Reederei Seetouristik“, kurz FRS, vereint. Die einstigen Spannungen zwischen den Mitbewerbern gehören längst der Vergangenheit an. Das Kürzel FRS wird im Englischen auch gern mit „Fast Reliable Seaways“ übersetzt, was die Sache gut auf den Punkt bringt. Schnelle und zuverlässige Seetransporte sind das Kerngeschäft der Flensburger – und das in derzeit zwölf Ländern. Deutschland, Skandinavien, Nordamerika, Arabische Halbinsel: „Wir sind wohl die internationalste Fährreederei der Welt“, sagt Götz Becker, der sich mit seinen Kollegen Jan Kruse und Christian Baumberger die Geschäftsführung teilt.
Familien im Hintergrund
Becker und Kruse entstammen den beiden Familien hinter der Seetouristik, Baumberger ist der Geschäftsführer vonseiten der Förde Reederei. Die gehört mehrheitlich der HGDF, einer Familienholding, in der die Familie Dethleffsen ihre Investments (darunter auch die „Flens“-Brauerei) bündelt. „Die enge Vertrautheit der Flensburger Familien macht unsere Stärke aus“, sagt Becker. Die gegenseitige Wertschätzung ist auch in der Geschäftsführung zu spüren. „Wenn man zu dritt ist, macht das die Entscheidungen nicht leichter, aber besser“, sagt Baumberger. Es braucht eben gute Argumente, um einvernehmlich zu Lösungen zu kommen.


Wir verdienen unser Geld mit der Abwicklung von komplexen Bauprojekten.“
Götz Becker, Geschäftsführer FRS
Kruse (Jahrgang 1963) ist seit 1998 Mitglied der Konzerngeschäftsführung, Becker (Jahrgang 1967) seit 2005, Baumberger (Jahrgang 1966) komplettiert seit 2010 das Führungstrio. Becker, der 1994 nach einem dualen BWL-Studium im Unternehmen anheuerte, kümmert sich um Vertrieb und Marketing sowie darum, „neue Geschäfte zu finden“. Er repräsentiert FRS nach außen, sondiert mit seinem Team die Märkte und hält Ausschau nach möglichen Investitionszielen. Das können zum Beispiel Fährreedereien in Familienhand sein, die sich mit der Nachfolgeregelung schwertun.
Das nötige Know-how gibt es in Flensburg: „Wir decken quasi alle Formate im Passagierverkehr ab“, sagt sein Kollege Baumberger. Der gebürtige Allgäuer hat in München Betriebswirtschaft studiert. Danach war er u. a. bei Maschinenbauern tätig und hat auch internationale Übernahmen betreut. Erfahrung, die man bei FRS brauchen kann: „Wir haben eine sehr komplexe Struktur mit über 60 Einzelgesellschaften“, sagt Baumberger, der als CFO fungiert und neben den Finanzen auch den Personalbereich managt – und schon lange nicht mehr damit hadert, seinerzeit die Berge gegen das Meer eingetauscht zu haben.
Weltläufiger Mittelständler
Jan Kruse hat in Hamburg eine Ausbildung zum Schifffahrtskaufmann gemacht und in Bremen berufsbegleitend BWL studiert. Der Dienstälteste in der Führungsmannschaft ist für die Tonnage zuständig: Betrieb, Wartung, Reparatur der Schiffe – aber auch die Flottenplanung und die Beschaffung von Neubauten. Die enorme technische Bandbreite des Unternehmens ist eine Herausforderung, die er annimmt: „Wir haben auf unseren Schiffen nahezu alle möglichen Antriebstypen: von klassischen Dieselmotoren über dieselelektrische Aggregate und LNG bis hin zu hybriden oder kompletten Batterie- und Solarlösungen und Wasserstoff“, sagt Kruse.
Er ist quasi mit dem Unternehmen aufgewachsen, sein Großvater war einer der Seetouristik-Gründer. „Als kleiner Junge saß ich bei Kapitän Heise auf dem Schoß und durfte am Steuerrad drehen.“ Bei Götz Becker, dessen Vater 1970 ins Unternehmen einstieg, war Schifffahrt von klein auf „ein Grundrauschen im Leben“ – und daran habe sich bis heute nichts geändert: „Schifffahrt läuft 365 Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag, zumal, wenn Sie wie bei uns noch die Zeitverschiebung dazurechnen“ – beim Standort Seattle neun Stunden. Götz Becker war nach seinem Einstieg bei FRS für die „Weiße Flotte“ in Stralsund zuständig, kümmerte sich um die „Nordic Jetline“, zwischen Helsinki und Tallinn und hat die Reedereitochter in Südspanien mit aufgebaut.
Bei aller Bodenständigkeit sind es diese Internationalität und Dynamik, die den besonderen Geist von FRS ausmachen. Eine weitere Besonderheit des Unternehmens: Es ist nicht nur in der See-, sondern auch in der Binnenschifffahrt unterwegs – und für jedes Einsatzgebiet gelten unterschiedliche Regularien. In Portugal zieht ein Ausflugsboot auf dem Tejo seine Kreise, in Berlin betreibt die FRS-eigene „Weiße Flotte“ vier Solarfähren. Außerdem bringt ein Ruderboot („Paule III“) Passagiere ans andere Ufer der Müggelspree.
Deutlich flotter geht es auf den Ozeanen zu: So verbinden zwei klassische Doppelendfähren die beiden Nordseeinseln Sylt und Rømø. High-Speed-Katamarane (HSC) verbinden beispielsweise Seattle im US-Bundesstaat Washington mit Victoria im kanadischen British Columbia („Victoria Clipper“) und Hamburg bzw. Cuxhaven mit Helgoland. Der auf der Route zu Deutschlands einziger Hochseeinsel eingesetzte „Halunder Jet“ bringt bis zu 680 Passagiere mit maximal 35 Knoten ans Ziel. Die drei HSC, die FRS im Sultanat Oman betreibt, zählen mit Geschwindigkeiten von bis zu 41 Knoten (76 km/h) sogar zu den schnellsten der Welt.


Wir tragen dazu bei, dass die maritime Infrastruktur reibungslos funktioniert.“
Jan Kruse, Geschäftsführer FRS
Vielfältiges Business
Neben dem Ticketverkauf bringen auf vielen Routen auch Shops und Gastronomie an Bord Umsatz. Dank der Erfahrung im Handling von Passagieren und Ladung konnte sich FRS vor einigen Jahren bei der Ausschreibung um die Konzession für den Betrieb des Fährterminals im albanischen Hafen Durrës durchsetzen. Von Zypern aus bietet das Unternehmen außerdem Dienstleistungen wie Crewing und Shipmanagement an. Die große Bandbreite wird abgerundet durch ein Team von rund 40 Programmierern, die auf Mallorca maßgeschneiderte Softwarelösungen für FRS und externe Kunden erarbeiten.
Wachstum erwarten die drei Geschäftsführer außer durch mögliche Übernahmen nicht zuletzt im boomenden Offshore-Segment: Gemeinsam mit dem langjährigen niederländischen Partner Windcat Workboats B.V. sind aktuell sechs Crew-Transfer-Vessels im Einsatz, die Techniker und Material zu Offshore-Windparks in Nord- und Ostsee bringen. Besonders stolz ist man in Flensburg auf die neueste Errungenschaft, die 2023 in Dienst gestellte „Hydrocat 55“. Das Schiff fährt für den Netzbetreiber 50 Hertz und verfügt über einen kombinierten Wasserstoff-Diesel-Antrieb. Das Dual-Fuel-System ermöglicht im Betrieb je nach Fahrprofil eine signifikante Reduzierung der CO2-Emissionen um 30 bis 50 Prozent – außerdem fallen auch die NOx-Emissionen um bis zu 70 Prozent geringer aus.
Mitunter ist es aber auch zu großes (prognostiziertes) Wachstum, das die Reederei vor Probleme stellt: So war das bei der Tochter FRS Iberia, die mit großem Erfolg Verkehre von Spanien nach Marokko organisierte. Angesichts des Erfolgs der Linien nicht zuletzt im Frachtverkehr war klar, dass die gewohnten Schiffsgrößen auf absehbare Zeit nicht ausreichen würden. FRS holte sich deshalb die große dänische Fährreederei DFDS als Partner an Bord. „Doch mit einem Joint-Venture-Partner, der börsennotiert ist und mehr als zehnmal so viel Umsatz macht, agieren Sie auf Dauer nicht auf Augenhöhe“, sagt Becker. Die Entscheidung, die Tochter, die er 2001 mit aufgebaut hatte, ganz in die Hände von DFDS zu legen, fiel ihm und seinen Co-Geschäftsführern trotzdem schwer. „Das Team gehörte schließlich zur FRS-Familie“, sagt Becker. Andererseits eröffnet der Ausstieg für FRS finanzielle Freiräume, im Kerngeschäft – dem Passagierverkehr – zu wachsen und das Thema Dekarbonisierung der Flotte konsequent anzugehen.
Umweltfreundliche Alternative
Wie sehr sich das Unternehmen in neue, umweltfreundliche Lösungen hineinkniet, zeigt das Beispiel Elbe. Unter dem Motto „Grüne Mobilität in Norddeutschland“ will die Tochter FRS Elbfähre die erfolgreiche Verbindung zwischen Glückstadt und Wischhafen in drei Schritten auf 600 Prozent Gesamtkapazität steigern. Dazu sollen sechs emissionsfreie Elektrofähren gebaut und mit grüner Energie aus Photovoltaikanlagen CO2-neutral betrieben werden. „Wir bieten den politischen Verantwortlichen mit unserem Mobilitätskonzept eine Überbrückung und Ergänzung bis zur Fertigstellung des geplanten A20-Tunnels. Durch diesen dürften beispielsweise keine Gefahrgut-Lkws oder Fußgänger – bei unseren Fähren wäre dies möglich“, sagt Götz Becker. Zur Realisierung benötige man aber Zusagen der Politik in Sachen Investitionssicherheit und Unterstützung beim Bau der landseitigen Infrastruktur. Namhafte Umweltschutzorganisationen befürworten das Projekt.


Wenn man zu dritt ist, macht das Entscheidungen vielleicht nicht leichter, aber besser.“
Götz Becker, Geschäftsführer FRS
Der Umbau der Flotte in Richtung Umwelt- und Klimaschutz ist eine gewaltige Herausforderung, die die gesamte Branche trifft. Das Beispiel FRS zeigt: „Es gibt für Schiffe nicht die eine technologische Antwort, sondern unterschiedliche Lösungen für verschiedene Formate“, sagt Baumberger. Sein Kollege Kruse dreht mit seinem Team an den unterschiedlichsten Stellschrauben, um die Effizienz zu verbessern. Ein Projekt ist die Hybridisierung der Warnow-Fähre zwischen Warnemünde und Hohe Düne. „Außerdem wird das Schiff per Automooring im Fährbecken gehalten, was bereits heute Antriebsenergie spart“, erklärt Kruse.
Die Vorbereitung auf Elektrifizierung läuft – die notwendige Infrastruktur in den Häfen zu schaffen, sei aber eine staatliche Aufgabe, so Becker. „Das schaffen die Reedereien nicht allein.“ Die Politik sei gefragt, um die kostengünstige Versorgung mit Treibstoffen sicherzustellen – und damit die Mobilität der Menschen auch auf den Wasserwegen. Hier freut sich die FRS-Geschäftsführung über die professionelle Unterstützung von Branchenverbänden wie dem VDR bzw. auf europäischer und internationaler Ebene von ECSA und Interferry.
Weiteres Wachstum und weitere Internationalisierung stehen nun auf der Agenda des Führungstrios – wie etwa die jüngst erfolgte Übernahme von L‘Express des Îles, einem führenden Fährschiffsakteur in der karibischen Region. Die Familien im Hintergrund sichern der Unternehmensgruppe die nötige Finanzkraft, um die Ziele zu erreichen – und das Team aus über 40 Nationen die nötige Tatkraft. „Gemeinsam Schifffahrt zu betreiben, erfordert hohe Einsatzbereitschaft“, sagt Becker. Zukunftssichere Ausbildungsberufe, interessante Jobs, starkes Gemeinschaftsgefühl: „Wir tun einiges dafür, um als Arbeitgeber attraktiv zu sein“, sagt Baumberger.
Auch hier ziehen die FRSler an einem Strang – und der ist mindestens so stabil wie die Verbindung zwischen den beiden zusammengelegten Firmensitzen an der Flensburger Förde. Die Perspektive ist langfristig: „Wir bekennen uns zur Schifffahrt“, bringt Jan Kruse die Haltung der beteiligten Familien auf einen Nenner. Nachwuchssorgen muss man wohl nicht haben: Die nächste Generation zeigt jedenfalls bereits Interesse.

Das Unternehmen
Die Förde Reederei Seetouristik (FRS) entstand 1991 durch den Zusammenschluss der beiden Flensburger Unternehmen Förde Reederei (gegründet 1935) und Seetouristik (gegründet 1958) – die maritimen Wurzeln reichen aber bis ins Jahr 1866 zurück. Das Familienunternehmen betreibt heute weltweit in zwölf Ländern Fährlinien und touristische Schifffahrt und setzt dabei insgesamt rund 60 Schiffe unterschiedlicher Bauart und Größe ein. Pro Jahr werden rund 5,7 Millionen Passagiere und 1,5 Millionen Fahrzeuge transportiert. Die rund 1.500 Beschäftigten der Unternehmensgruppe erwirtschaften im Jahr einen Umsatz von rund 250 Millionen Euro.
www.frs.world




