
Diese Reederei ist eigentlich ein Bauunternehmen – aber eben eines, das sich im nassen Element am wohlsten fühlt. Hegemann Dredging ist im gesamten Bereich der Nassbaggerei tätig und führt Unterhaltsbaggerungen, Strandvorspülungen, Landgewinnung und Hafenprojekte aus. Haupteinsatzgebiete sind die Küstengewässer der Nord- und Ostsee und der Mittelmeerraum. Die Spezialisten aus Bremen kümmern sich darum, dass die Ems schiffbar bleibt, sodass die Überführung der Kreuzfahrtriesen aus der Meyer Werft reibungslos funktioniert. Im Wattenmeer machen sie die Fahrrinne für die Fährlinien zu den Nordseeinseln frei. Und wenn die Erosion durch Gezeiten, Wellen und Wettereinflüsse an der Ostseeküste zu viel abgetragen hat, helfen sie dabei, den Sand wieder aufzufüllen. „So ein Auftrag kommt dann meist im Frühling, damit pünktlich zur Sommersaison für die Touristen wieder genug Strand da ist“, sagt Jens Schmidt.
Der gelernte Bauingenieur managt als einer von zwei Geschäftsführern bei Hegemann Dredging den technischen Part –
also unter anderem Auftragsakquisition und -abwicklung sowie Betreuung der Flotte. Das Unternehmen betreibt sechs Seeschiffe: vier Laderaumbagger und zwei seegängige selbstfahrende Klappschuten. „Die sind je nach Auftragslage rund um die Uhr im Einsatz und regulär besetzt wie ein Seeschiff – an der Stelle sind wir Reeder“, sagt Schmidt. „Unser Geld verdienen wir allerdings mit der Abwicklung von Bauprojekten – da sind wir eine Baufirma“, ergänzt sein Co-Geschäftsführer Uwe Wellpott Silva, der bei dem Unternehmen für die Finanzen verantwortlich ist – und passenderweise eine Ausbildung zum Baukaufmann absolviert hat.


Wir verdienen unser Geld mit der Abwicklung von komplexen Bauprojekten.“
Uwe Wellpott Silva, Geschäftsführer Hegemann Dredging
Produktion in Bewegung
An Bord der Schiffe gibt es natürlich einen Kapitän und einen Maschinisten. Insgesamt ist die in der Regel acht- bis zehnköpfige Crew aber auch stark mit dem Baggerprozess beschäftigt. Die technisch aufwendig konstruierten Schiffe funktionieren nach dem Staubsaugerprinzip: Sedimente werden beispielsweise vom Flussgrund angesaugt und mit leistungsstarken Pumpen in den Schiffsbauch transportiert. Anschließend wird die Ladung zu Verklappstellen oder Spülfeldern gebracht – in der Landwirtschaft etwa ist der nährstoffhaltige Stoff durchaus beliebt.
„Was wir an Bord machen, ist nicht reines Fahren, sondern Produktion“, sagt Schmidt. Es gehe darum, so viel Kubikmeter wie möglich in kurzer Zeit zu laden und zu verbringen. Damit der Saugkopf immer exakt positioniert ist, kommt es auf präzises Manövrieren an. Moderne Technik unterstützt die Nautiker dabei. Wie in der übrigen Schifffahrt auch sollen die beschäftigungslosen Zeiten so kurz wie möglich sein. Deswegen legen Jens Schmidt und sein Team besonders viel Wert auf die kontinuierliche Wartung der Schiffe: „Wir betreiben einen enormen Aufwand, um unsere Schiffe in einem betriebssicheren Zustand zu halten.“
Wenn es ein Problem gebe, sei es entweder die Technik, das Personal oder das Wetter – und mitunter eine Kombination davon. Da hilft es, dass Hegemann Dredging über eine eigene technische Abteilung verfügt – wie die ganze Belegschaft erfahrene Leute, die zumeist schon seit Jahren als Festangestellte bei der Firma arbeiten. „Wenn irgendwo eine Pumpe hustet, muss ein Inspektor in den Flieger steigen“, sagt Wellpott Silva. Vier der Schiffe fahren unter deutscher Flagge, zwei dort secondhand erworbene Einheiten unter der niederländischen.
Modernisierung im Blick
Hegemann Dredging ist die einzige Firma mit deutschen Eignern, die im Hochseegeschäft aktiv und auch international unterwegs ist – etwa in Polen und den baltischen Staaten. Um schnell auf Ausschreibungen zu reagieren und Projekte zu managen, hat das Unternehmen neben Niederlassungen in Leer und Rostock auch Standorte in Stettin und im niederländischen Winschoten. Immer wieder setzen sich die Bremer bei europaweiten Ausschreibungen durch. Oft haben die Weltmarktführer aus Belgien und den Niederlanden die Nase vorn, die auch mit deutlich größeren Schiffen operieren.
Klein genug, um flexibel zu agieren; groß genug, um auch komplexe Projekte selbstständig abzuwickeln: „Wir fühlen uns durchaus wohl in unserer Marktnische“, sagt Wellpott Silva. Die kompakten Schiffe eignen sich auch für enge Fahrwasser und geringe Tiefen. Eigene Hydraulikbagger, Planierraupen und Druckerhöhungsstationen erlauben den kombinierten Wasser-Land-Einsatz – so werden etwa für die Strandwiederherstellung teilweise Spülrohrleitungen von bis zu einem Kilometer Länge verlegt. Zwei bis drei Millionen Kubikmeter nasses Material bewegen die Bremer Bagger-Profis pro Jahr – das entspricht der Menge, die auf rund 200.000 typische Baustellen-Kipplaster passen würde.
In nächster Zeit steht nicht Wachstum, sondern eine hohe Auslastung auf der Agenda – und die Modernisierung der Flotte: Ein Beispiel ist der jüngste Neuzugang, die im vergangenen Jahr in Dienst gestellte „Hegemann V“. Der erste eigene Neubau des Unternehmens ist rund 75 Meter lang und hat in seinem Laderaum Platz für knapp 2.000 Kubikmeter. Das Schiff kann bis zu einer Tiefe von 26 Metern baggern und mit zwei 1.100-Kilowatt-Pumpen Sand, Kies und andere Feststoffe an die Oberfläche holen.
Mindestens ebenso wichtig: Die Maschine erfüllt die strenge Tier-III-Norm. „Wir rechnen damit, dass Umweltfreundlichkeit als Kriterium bei den Ausschreibungen immer wichtiger wird“, sagt Wellpott Silva. Im nächsten Schritt erhalten deshalb drei weitere Schiffe neue Antriebseinheiten, die den hohen Standards genügen.


Wir tragen dazu bei, dass die maritime Infrastruktur reibungslos funktioniert.“
Jens Schmidt, Geschäftsführer Hegemann Dredging
Führung im Team
Technik und Finanzen: Die beiden Geschäftsführer trennen ihre Aufgabenbereiche strikt – „und das klappt wunderbar“, so Wellpott Silva. Man müsse mitunter gute Argumente haben, um den anderen von einer Entscheidung zu überzeugen. Uwe Wellpott Silva ist Jahrgang 1970 und hat „gar keinen maritimen Background“. Er ist seit seiner Ausbildung vor mehr als 30 Jahren bei der Unternehmensgruppe und 2002 vom Bau- in den Dredging-Bereich gewechselt. In die Schifffahrtsthemen – Schiffsbrief, Heuervertrag, BSH – hat er sich schnell eingefuchst.
Sein fünf Jahre älterer Kollege Jens Schmidt ist gebürtiger Bremerhavener und familiär vorbelastet – beide Großväter sind zur See gefahren. Der 58-Jährige fing nach dem Studium bei einem Bauunternehmen an, das sich auf Wasserbau spezialisiert hatte, und wechselte dann Anfang 2008 nach einem gemeinsamen Projekt zu den Nassbagger-Profis. Seit 2012 teilen die beiden sich die Geschäftsführung des Unternehmens, das mit rund 120 Mitarbeitern etwa 40 Millionen Euro Jahresumsatz erzielt. Sie sind stolz darauf, Teil eines traditionsreichen Familienunternehmens zu sein, dessen Wurzeln 110 Jahre zurückreichen: Die Hegemann-Reiners-Gruppe, die sich schwerpunktmäßig bei der Projektentwicklung und im Hoch- und Tiefbau engagiert, ist eine feste Größe in der bremischen Wirtschaft (s. Kasten).
Unter den Mitgliedern des Verbands Deutscher Reeder ist Hegemann Dredging dagegen ein Exot. „Nicht alle Themen, die der VDR bespielt, betreffen uns. Aber bei denen, die uns angehen, sind wir dankbar, dass es den Verband gibt“, sagt Schmidt. Das gelte zum Beispiel für die Initiative zur maritimen Ausbildung – auch auf den Hegemann-Schiffen sind Schiffsmechaniker-Azubis im Einsatz. Schmidt ist Vorsitzender der Vereinigung der Nassbaggerunternehmungen mit Sitz in Hamburg, in der sich insgesamt 14 zum Teil auch im Binnensegment tätige Unternehmen zusammengeschlossen haben. Das Branchen-Credo ist einfach: „Alle wollen, dass die Häfen gut funktionieren – wir tragen kontinuierlich dazu bei und helfen so, den reibungslosen Betrieb der maritimen Infrastruktur zu gewährleisten“, sagt Schmidt.
In die Zukunft sehen die beiden Geschäftsführer optimistisch: „Solange es Schifffahrt gibt und die Fahrrinnen durch Sedimente versanden, werden wir gebraucht“, sagt Wellpott Silva. Eine durchaus langfristige Perspektive.

Das Unternehmen
Die Hegemann Dredging GmbH ist Teil der Bremer Hegemann-Reiners-Gruppe, die ein breites Spektrum von Bau- und Industrieleistungen anbietet. Unter der Marke August Reiners sind u. a. Ingenieur- und Tunnelbau sowie Hoch- und Tiefbau gebündelt. Der Bauingenieur Detlef Hegemann (1927 bis 2011), Enkel des Gründers, war eine prägende Bremer Unternehmerpersönlichkeit. Mit seinem Namen sind bis heute die Aktivitäten Umwelttechnik, Werft und Dredging verbunden. Insgesamt setzt das Familienunternehmen mit knapp 700 Mitarbeitern 200 Millionen Euro pro Jahr um.
www.hegemann-reiners.de




