Foto von Arnd Braun-Storck

Arnd Braun-Storck ist im Hafen von New Jersey oft mit großen blauen Tragetaschen unterwegs. Der Seemannspastor der Deutschen Seemannsmission New York hat Bestellungen für Schiffscrews dabei. Er trifft die Männer und Frauen dort, wo sie leben und arbeiten, an Bord. Braun-Storck wird mit offenen Armen empfangen, lässt die Seeleute reden, hört zu, betet mit ihnen, wenn sie danach fragen. „Für mich war immer Seelsorge der Mittelpunkt.“ Der 61-Jährige bringt die Crewmitglieder zum Einkaufen oder fährt sie zum nächstgelegenen Bahnhof, damit sie nach New York City fahren können.

Seit der Pandemie sind jedoch auch Bestellungen von Bordbesatzungen ein Schwerpunkt seiner Arbeit. Regelmäßig kauft Braun-Storck deshalb Artikel wie Socken, Schokolade, Taschenlampen und Vitamine in großen Mengen für die Menschen an Bord ein. Für den Seemannspastor ist das immer auch eine Gratwanderung. Er möchte nicht, dass die Lieferungen überhandnehmen. Denn dadurch gibt es weniger Gelegenheiten für persönliche Begegnungen.

„Viele Seeleute fühlen sich gerade beim Gespräch während der gemeinsamen Autofahrt freier“, sagt der Theologe, der auch eine klinische Seelsorgeausbildung gemacht hat. „Dann sprechen sie offen über Einsamkeit durch die lange Trennung von der Familie.“

Präsenz in der Weltmetropole
Der Hafen von New York liegt größtenteils im benachbarten Newark (New Jersey) und ist einer der größten Containerhäfen der USA. Container, Maschinen und landwirtschaftliche Produkte werden dort umgeschlagen. Wichtigste Importgüter sind Elektronik, Textilien und Automobilteile. Selbstverständlich kümmern sich die Seelsorger nicht nur um deutschsprachige Seeleute. „Es war immer klar: Wenn wir auf einem Schiff sind, sind wir für alle da“, sagt der Seemannspastor.

Der Missionsleiter besucht Seeleute aber auch im Krankenhaus. Nach Todesfällen bietet er Seelsorge an Bord an. Leider kann er meist nicht direkt nach einem Ereignis helfen, da die Männer und Frauen häufig noch mehrere Wochen unterwegs sind, bevor sie wieder einen Hafen anlaufen. „Doch die Trauer bleibt. Es ist sicher brutal, wenn dein Kollege oder deine Kollegin einen Herzinfarkt hat oder jemand weit weg in der Heimat stirbt“, erzählt der Leiter der Seemannsmission. Viele verpassen Beerdigungen, weil sie mitten auf dem Meer sind und erst 20 Tage später im Hafen ankommen. „Es ist hart, wenn sie allein damit umgehen müssen.“

Der lange Weg nach New York
Arnd Braun-Storck stammt aus dem Hunsrück. In Montabaur aufgewachsen, studiert er Theologie in Marburg, wechselt dann nach Hamburg. Ende der 1980er-Jahre erzählt ihm ein Freund von einem Praktikum bei der Seemannsmission New York. Braun-Storck bewirbt sich und wird genommen. Bei seiner Arbeit lernt er die lutherische Kirchengemeinde auf der Lower East Side kennen und arbeitet dort in der Obdachlosenarbeit. Sein Vikariat macht er in einer Obdachlosenunterkunft in der Gemeinde.

Von 1994 an vertritt er seinen Vorgänger bei der Seemannsmission, Clint Padgitt, als dieser für zwei Jahre nach Chile geht. Seine Frau Beate zieht mit nach New York und unterstützt ihn bei der Missionsarbeit. Beide bleiben danach in „Big Apple“. Im Jahr 2012 übernimmt Braun-Storck schließlich – nach vielen Jahren in der Krankenhausseelsorge – als Seemanns­pastor die Leitung der Mission.

Foto der Liberty Statue
New York Harbor, New York, USA with the statue of liberty and Bayonne, New Jersey in the background.

Erfolgreich durch schwere Zeiten
Die Deutsche Seemannsmission in New York hat eine bewegte Geschichte. Sie begann 1907 in Hoboken, New Jersey, mit der Einweihung eines Seemannshauses (s. Foto links). Gut 2.000 Seeleute waren seinerzeit auf deutschen Schiffen im Hafen. Eine Unterkunft wurde angesichts der schwierigen Wohnungslage dringend gesucht. Die Seemannsmission half den Seeleuten zu sparen, damit sie ihre Familien in der Heimat unterstützen konnten. Gut 100 Jahre später bricht ihr dann der Kollaps der weltweiten Finanzmärkte 2008 finanziell fast das Genick. „Wir mussten entscheiden, ob wir unsere Pforten schließen oder das Seemannsheim zeitweise vermieten“, erinnert sich Braun-Storck.

Man entschließt sich für die zweite Variante und fusioniert mit dem Seemannsheim Seafarers International House – rückblickend die richtige Entscheidung. Finanzielle Engpässe gab es auch während der Coronazeit. Bis heute bilden die Mieterlöse aus dem ehemaligen Seemannsheim die wichtigste Einnahmequelle. Um Seeleuten günstige Übernachtungsmöglichkeiten zu bieten, hat die Seemannsmission indes elf Zimmer bei der örtlichen Heilsarmee angemietet.

Starke Unterstützung erhält der Seemannspastor außerdem von der Deutschen Gesellschaft der Stadt New York, die sich um deutsche Auswanderer kümmert. Ein Netzwerk evangelischer Gemeinden im Nordosten der USA sorgt dafür, dass für Seeleute pünktlich zur Weihnachtszeit 3.000 Geschenktüten mit Mützen, Schals, Nüssen und Weihnachtsgrüßen gefüllt werden. Damals wie heute gilt: „Mittelpunkt unserer Arbeit ist stets das Wohl der Seeleute“, sagt Braun-Storck.

Geschenke zu Weihnachten
Unter dem Motto „Rostock denkt an Seeleute“ erhält die Seemannsmission jedes Jahr im Dezember große Unterstützung aus Kirchengemeinden und von Menschen aus der Region. So konnten 2024 rund 440 Weihnachtstüten mit selbst gestrickten Socken, Mützen und Schals gefüllt werden. Hinzu kamen Schokolade, Lebkuchen, Hygieneartikel und Weihnachtsgrüße.

Am 6. Dezember bringt das Team Weihnachtsbäume an Bord. Trotz aller Unwägbarkeiten im Alltag: Auf den Weihnachtsgottesdienst an Heiligabend mit der Seemannsmission können die Seeleute zählen. Und natürlich verlässt keiner den Club ohne ein Geschenk.

Edwin Becker-Wichmann, ebenfalls hauptamtlich bei der Rostocker Seemannsmission tätig, hat vergangenes Jahr ein Projekt mit Arztpraxen auf die Beine gestellt. In den Wartezimmern liegen Wolle, Stricknadeln und erste Maschen auf den Nadeln bereit. Wer mag, strickt dort, der Nächste macht genau dort weiter, bis ein Schal fertig ist. So profitieren Seeleute vom Engagement Rostocker Bürger, die sonst keinerlei Berührungspunkte mit dem Leben auf See haben.

Die Strickfeen denken das ganze Jahr über an Seeleute: Alle 14 Tage stricken sie gemeinsam. „Mützen, Schals, Socken, Pullover sind natürlich gerade im Winter richtig beliebt“, sagt Amelie Hanck. Die wärmenden Teile machen einen Unterschied für den Alltag an Bord. „Gerade bei ihrer ersten Fahrt unterschätzen Filipinos den Winter völlig. Die kommen hier manchmal in Badelatschen und Sweatshirt an. Da ist das mit den Wollsocken eine tolle Sache. Gestrickte Sachen kennen sie zwar auch nicht, aber sie lernen es ganz schnell zu schätzen“, sagt Birgit Haaks.

Foto der alten Seemannsmission in New York
Deutsches Seemannsheim in Hoboken.

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