Foto von Birgit Haaks und ihre Mitstreiterin Amelie Hanck

Direkt hinter dem Hafenrestaurant im Rostocker Überseehafen liegen die Räume der Deutschen Seemannsmission. Den Hafen gibt es seit 65 Jahren. Die Seemannsmission samt Club ist erst nach dem Mauerfall entstanden, der Verein hat sich 1991 gegründet. Leiterin der Mission ist die ausgebildete Seelsorgerin Birgit Haaks. Die gebürtige Düsseldorferin mit der Lockenmähne hat im Oktober 2022 bei der Seemannsmission Rostock angefangen und wenig später die Leitung übernommen. Nach Stationen in Schleswig-Holstein, Chile und Leipzig hat es sie an die Warnow gezogen. Berufsbegleitend macht die 59-Jährige gerade eine Ausbildung zur Gemeindepädagogin.

Vormittags geht das Team an Bord der Schiffe im Überseehafen und im Fischereihafen, von 17 bis 22 Uhr ist der Seemannsclub „Hollfast“ geöffnet. Auf Plattdeutsch bedeutet das Halt oder Stütze. Und das ist das Team der Seemannsmission für Seeleute: mit Hilfen im Alltag und einem offenen Ohr für Sorgen und Probleme.

Beliebter Anlaufpunkt
Im Club nutzen Seeleute vor allem das WLAN für Videoanrufe. Neben Sim-Karten kaufen die Männer kleine Rostock-Souvenirs, Schokolade oder genießen ein lokales Bier. Von April bis Oktober ist auch die Seafarers’ Lounge für Besatzungen der Kreuzfahrtschiffe in Rostock-Warnemünde geöffnet. Die Lounge liegt nur einen Steinwurf von den Liegeplätzen der Kreuzfahrtschiffe entfernt. Pro Woche werden hier bis zu 100 Pakete für Seeleute angeliefert und ausgegeben.

Birgit Haaks‘ Team von drei Hauptamtlichen wird durch acht Ehrenamtliche verstärkt, die im Club helfen, Bordbesuche machen oder sich um die Autos kümmern. Das Team fährt Seeleute vom Ölterminal, dem Fischereihafen und ab Warnemünde zum Seemannsclub und bietet Fahrten in die Stadt oder Ausflüge an. Seeleute erhalten auch Hilfe bei Problemen mit der Heuer. Um die 20 Seeleute besuchen im Schnitt den Club. Dort können sie es sich mit einer Tasse Tee oder Kaffee gemütlich machen. Neben Chips, Nüssen und Getränken gibt es auch Hygieneprodukte. „Schokolade geht auch gut. Die Seeleute essen hier gern Knabbersachen“, sagt Birgit Haaks. Auch Geldwechsel und Auslandsüberweisungen sind möglich.

Rostocks Stadtmitte ist gut zwölf Kilometer entfernt, ein weiterer Grund für die Seeleute, gern in den Club zu kommen. Birgit Haaks liebt die Bordbesuche und überhaupt den Kontakt mit den Seeleuten: „Abends hier sein, reden und fragen, wie es ihnen geht.“ Dafür wird sie nach Abschluss ihrer Ausbildung nächstes Jahr mehr Zeit haben. Wenn der Raps blüht, fährt Haaks mit den Seeleuten auch mal einen kleinen Umweg, um an der goldgelben Pracht vorbei zu fahren. „Die Seeleute filmen dann ganz viel oder rufen ihre Familien an. Die sind dann live mit dabei.“

Ihre hauptamtliche Mitarbeiterin Amelie Hanck mag besonders die Bordbesuche. „Ich finde es immer cool, wenn ich Leute wiedertreffe, die schon mal hier im Club waren. Ich habe das Gefühl, dass man dann ein bisschen einfacher ins Gespräch kommt und sie für einen Plausch an der Bar stehen bleiben“, sagt die 27-Jährige. „Ich glaube, die Seeleute fühlen sich einfach wohl, wenn sie hier Zeit verbringen oder Billard spielen können.“

Geschenke zu Weihnachten
Unter dem Motto „Rostock denkt an Seeleute“ erhält die Seemannsmission jedes Jahr im Dezember große Unterstützung aus Kirchengemeinden und von Menschen aus der Region. So konnten 2024 rund 440 Weihnachtstüten mit selbst gestrickten Socken, Mützen und Schals gefüllt werden. Hinzu kamen Schokolade, Lebkuchen, Hygieneartikel und Weihnachtsgrüße.

Am 6. Dezember bringt das Team Weihnachtsbäume an Bord. Trotz aller Unwägbarkeiten im Alltag: Auf den Weihnachtsgottesdienst an Heiligabend mit der Seemannsmission können die Seeleute zählen. Und natürlich verlässt keiner den Club ohne ein Geschenk.

Edwin Becker-Wichmann, ebenfalls hauptamtlich bei der Rostocker Seemannsmission tätig, hat vergangenes Jahr ein Projekt mit Arztpraxen auf die Beine gestellt. In den Wartezimmern liegen Wolle, Stricknadeln und erste Maschen auf den Nadeln bereit. Wer mag, strickt dort, der Nächste macht genau dort weiter, bis ein Schal fertig ist. So profitieren Seeleute vom Engagement Rostocker Bürger, die sonst keinerlei Berührungspunkte mit dem Leben auf See haben.

Die Strickfeen denken das ganze Jahr über an Seeleute: Alle 14 Tage stricken sie gemeinsam. „Mützen, Schals, Socken, Pullover sind natürlich gerade im Winter richtig beliebt“, sagt Amelie Hanck. Die wärmenden Teile machen einen Unterschied für den Alltag an Bord. „Gerade bei ihrer ersten Fahrt unterschätzen Filipinos den Winter völlig. Die kommen hier manchmal in Badelatschen und Sweatshirt an. Da ist das mit den Wollsocken eine tolle Sache. Gestrickte Sachen kennen sie zwar auch nicht, aber sie lernen es ganz schnell zu schätzen“, sagt Birgit Haaks.

Foto des Gebäudes

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