Ich bin mir sicher: Ich will Meer

Hugo Haese berichtet von seiner spannenden Reise als Ferienfahrer an Bord der „Chicago Express“ und den einzigartigen Erfahrungen, die er auf der Überfahrt über den Pazifik gesammelt hat.

 

Nachdem ich mein Schülerpraktikum in der 9. Klasse auf einem Passagierschiff absolviert hatte, welches täglich von Büsum nach Helgoland fährt, wollte ich unbedingt „the next level“ ausprobieren und habe mich für das Ferienfahrer-Programm des VDR beworben. Als die Zusage für ein Praktikum bei Hapag-Lloyd kam, war ich total happy! 

Mit dreizehn anderen Ferienfahrern sollte es auf die „Chicago Express“, das Ausbildungsschiff der Reederei Hapag-Lloyd, gehen, und innerhalb von 3 ½ Wochen von Vancouver nach Singapur via Südkorea und China gehen. Am Flughafen in Hamburg habe ich drei meiner Mitfahrer getroffen; über Amsterdam ging es weiter nach Vancouver. Wir wurden per Taxi in Vancouver am Flughafen abgeholt. An Bord trafen wir dann die anderen Ferienfahrer, und die Unterkünfte wurden eingeteilt. Kurz darauf bekamen wir eine erste Sicherheitseinweisung und es wurde uns erklärt, welche Alarme es gibt und wie wir uns im Notfall verhalten müssen. Dabei wurde uns das Vorderdeck, das Achterdeck, die Ruderpumpen und die Brücke gezeigt. 
 

Erste Eindrücke an Bord: Arbeiten und Sicherheit
Am nächsten Tag erfuhren wir, dass wir Ferienfahrer wegen fehlender Gelbfieberimpfung nicht wie geplant bis Singapur an Bord bleiben durften, sondern in Busan, Südkorea aussteigen sollten, weil Seeleute in China nicht ohne Gelbfieberimpfung einreisen dürfen. Die Reederei hat noch versucht, die Impfung in Vancouver zu organisieren, was aber leider nicht geklappt hat.

 

Dienst an Bord: Einblicke in die Schiffsarbeit
Am Abend des dritten Tages an Bord legten wir ab. Ich durfte auf der Brücke das Auslaufen miterleben. Besonders beeindruckend war es auf der Brücke, als es draußen dunkel geworden war.

Zusammen mit zwei anderen Ferienfahrern hatte ich am Folgetag meinen ersten Wachdienst auf der Brücke mit dem Chief Mate (1. Nautischer Offizier), der uns alle Geräte auf der Brücke zeigte und erklärte. In den folgenden Tagen durfte ich noch mehrmals dort Dienst mitmachen. Besonders interessant war es, als der Chief Mate uns die verschiedenen Arten von Navigation erklärt hat und wir uns auch selbst einmal an der Peilung versuchen konnten. Das absolute Highlight war aber, als ich selbst das Steuer übernehmen durfte: Ein 330 m Schiff zu steuern ist schon ein unbeschreibliches Gefühl! 
Mittlerweile hatten wir die Behring-See erreicht. Es ist schwer zu beschreiben, wie es sich nachts auf einem so riesigen und gleichzeitig so kleinen Schiff auf dem Ozean anfühlt. Ich habe noch nie vorher so einen klaren Sternenhimmel gesehen. Und am Tag konnten wir Wale sehen – richtige große Wale! 
 
Sicherheit spielt eine große Rolle an Bord eines Containerschiffs: Die erste Sicherheitseinweisung hatten wir ja bereits kurz nach dem Betreten des Schiffs; der „safety drill“ gehört zum Bordalltag und wird vom Chief Mate verantwortet. Es gab mehrere Feuerübungen, und einmal haben wir alle zur Übung einen Eintauchanzug, der sich in jeder Kabine befindet, angezogen. In der Ausbildung übt man, den in maximal zwei Minuten anzuziehen. Es sind einige lustige Fotos bei der Aktion entstanden, auch wenn ich zugeben muss, dass ich hoffe, so einen Eintauchanzug nie zu brauchen. Im Ernstfall sorgt der Eintauchanzug nämlich dafür, dass im Wasser die Körpertemperatur nicht so schnell absinkt und damit die Überlebenschance verbessert. 
 
Bei einem anderen „safety drill“ erklärte der Second Mate Teilen der Besatzung und uns Ferienfahrern, wie man die Ruderpumpen im Notfall auf „manuell“ umstellt, um im Falle eines Fehlers der Verbindung mit der Brücke steuern zu können. Es gibt an Bord eine richtige Krankenstation mit eigener Apotheke, auch ein Defibrillator ist vorhanden. 

 

In der zweiten Woche hatte ich Decksdienst und Dienst im Maschinenraum. Da ich recht groß bin, bekam ich den Auftrag, alle Dichtungsringe der Lüftungsklappen mit Vaseline einzufetten, da ich dafür keine Leiter benötigte. Das waren bestimmt an die 200 Türen. Die Arbeitsschicht verging wie im Fluge. 
 
Als ich Maschinendienst hatte, ist ein Einspritzer beim Kolben der Hauptmaschine kaputtgegangen und es wurde entschieden, diesen zu reparieren. Es war interessant, bei der Reparatur zusehen zu dürfen und einen Eindruck davon zu bekommen, dass man auf See mit allen möglichen Problemen fertig werden muss. 
 
An einem anderen Tag habe ich dem Elektriker geholfen, einen Elektromotor von einer Maschine abzubauen und diesen in die Werkstatt zu bringen. Dort haben wir den Elektromotor auseinander gebaut, um zwei Ringe auszutauschen.

Am 8. Tag auf See haben wir die Datumsgrenze überquert. Eigentlich ist das ein Tattoo in Form eines Drachens wert. Vielleicht mache ich das. Beeindruckend für mich war das glasklare Wasser des Pazifiks. Schön waren auch die Sonnenuntergänge und die Sternschnuppen, die man nachts sehen konnte. 

Sicherlich typisch für ein Containerschiff ist die Zweiteilung der Besatzung: Während die meisten Offiziere aus Deutschland oder jedenfalls aus Europa stammen, ist der weit überwiegende Teil der Mannschaft philippinischer Staatsangehörigkeit. Bordsprache ist Englisch. Ich hätte vorher nicht gedacht, dass ich einfach so drauflossprechen kann und die Verständigung so gut klappt, da ich nur Schulenglisch kann; aber tatsächlich war das gar kein Problem.
An einem Abend wurde ein großes Barbecue mit Spanferkel gemacht, bei der Vorbereitung haben wir alle geholfen. 
Am meisten Spaß hat mir jedoch der Dienst auf der Brücke gemacht. Ich durfte sogar einmal dem Kapitän mit der Gehaltsabrechnung der philippinischen Besatzung helfen. Die Einblicke, die ich dabei bekommen habe, waren interessant und aufschlussreich. Genau für diese Einblicke ist das Praktikum ja auch gedacht.

 

Abschluss der Reise: Busan und die Rückkehr nach Hamburg
Zwei Wochen nach dem Ablegen in Vancouver sind wir in Busan, Südkorea, eingelaufen. Gegen Mittag wurden wir dann mit einem Bus zur Port Security gebracht. Anschließend ging es direkt zum Immigration Center, und dann direkt weiter zum Airport. So wie wir mit verschiedenen Flügen angereist sind, erfolgte auch die Rückreise mit unterschiedlichen Flügen, die für uns von der Reederei gebucht wurden. Meine Gruppe ist von Busan nach Seoul geflogen, von dort ging es dann weiter nach Amsterdam und schließlich zurück nach Hamburg.

Nach einer Reise um die Welt in den Sommerferien 2024, reich an Eindrücken und Erlebnissen, bin ich mir jetzt sicher: Ich will Meer.