Schiffsfinanzierung: neue Wege finden
Viele Jahre funktionierte die in Deutschland traditionell starke Schiffsfinanzierung äußerst erfolgreich über das sogenannte KG-Modell, infolge der Schifffahrtskrise ab 2009 hat sich dies in gravierender Art und Weise geändert. Die Kapitalkosten bestehender Finanzierungen konnten infolge niedriger, häufig kaum noch kostendeckender Fracht- und Charterraten vielfach nicht verdient werden. Obendrein haben sich die Eigenkapitalanforderungen für schiffsfinanzierende Banken in den letzten Jahren auch vor dem Hintergrund strikterer aufsichtsrechtlicher Regularien deutlich verschärft, was das einstmals hochinteressante Geschäftssegment der Schiffsfinanzierung in Deutschland für Geschäftsbanken überwiegend unattraktiv gemacht hat.
Mittlerweile haben sich mit der Commerzbank, der früheren HSH Nordbank bzw. nunmehr Hamburg Commercial Bank und der NordLB die drei wichtigsten Finanzierer für die deutsche Flotte komplett oder weitgehend aus diesem Bereich zurückgezogen, allein bei den letzteren beiden Unternehmen waren ca. 2.600 Schiffskredite betroffen. Dramatische Zahlen, denn mit jedem Schiff, das ins Ausland geht und nicht mehr vom Standort aus bereedert wird, verlässt quasi ein kleineres mittelständisches Unternehmen Deutschland.
Der Rückzug insbesondere vieler deutscher Finanzinstitute und privater Eigenkapital-Investoren aus der Schiffsfinanzierung hat zu einem deutlichen Rückgang an Finanzierungsmöglichkeiten für die Reedereiwirtschaft insgesamt und speziell für kleinere bzw. mittelständische Reedereien geführt. Die Auswirkungen sind erheblich: das maritime Know-how droht zu schwinden. Die Banken als wichtigste Partner bzw. Fremdkapitalgeber für die Modernisierung der Flotte brechen weg. Maritim geprägte Regionen im Norden verändern sich – etwa das Emsland, Ostfriesland, das Alte Land. Dies hat Auswirkungen auf die gesamte maritime Wirtschaft in ganz Deutschland.
Doch es gibt auch neue, positive Entwicklungen, zuletzt auch befördert durch sich teils deutlich erholende Schifffahrtsmärkte: Private Investoren sind heute wieder vermehr dazu bereit, gemeinsam mit Reedern langfristige Investitionen einzugehen. Auch internationales Private Equity-Kapital beginnt die Schifffahrt neu zu entdecken. Erste Reedereien machen den Schritt an die Börse. Der Markt befindet sich im Umbruch.
Neue Ideen sind gefragt, um die notwendige Modernisierung der Flotte auch im Blick auf die ambitionierten Ziele im Bereich des Umwelt- und Klimaschutzes sicherzustellen – und damit die tragfähige Finanzierung einer der Schlüsselbranchen der deutschen Wirtschaft. Ein Kernbegriff lautet hier Kapitalmarktfähigkeit. Um Zugang zu den internationalen Finanz- Märkten und institutionellen Investoren zu bekommen, ist ein hohes Maß an Transparenz gefragt. Der VDR engagiert sich gemeinsam mit anderen Verbänden der maritimen Wirtschaft dafür, dass der Schiffsfinanzierung am Standort wieder eine größere Bedeutung zukommt und verdeutlicht gegenüber politischen Akteuren auf nationaler und europäischer Ebene die Notwendigkeit, zu nachhaltig tragfähigen Lösungen zu kommen.